Diskussionskultur in der Kommunalpolitik

Wie steht es um die Diskussionskultur in den kommunalen Parlamenten? Das haben wir für die Körber-Stiftung in qualitativen Tiefeninterviews mit Kommunalpolitiker*innen erforscht. Wir freuen uns, dass wir mit der Studie, konkrete Lösungsansätze zur Verbesserung der Diskussionsqualität liefern konnten. Diese umfassen etwa die Stärkung der Versammlungsleitung der Parlamente, Schulungen sowie die Entwicklung eines Kodex zu guter Diskussionskultur.

Methodisches Vorgehen

Es wurden 30-minütige Tiefeninterviews mit 30 Kommunalpolitiker*innen geführt. Dabei sprachen wir deutschlandweit mit Ratsmitgliedern, achteten aber darauf, dass sowohl Personen aus Ost- und Westdeutschland sowie kleinen, mittleren und großen Gemeinden vertreten waren. Außerdem wurde eine Mischung nach Geschlecht und Parteizugehörigkeit (inklusive freier Wählervereinigungen sowie Gemeinden mit und ohne AfD-Präsenz im Gemeinderat) gewährleistet. Auf diese Weise konnten möglichst diverse Perspektiven für die Studie gewonnen werden. Der Fokus lag auf der Diskussionskultur innerhalb der Ratssitzungen sowie der Fraktionen.

Was ist überhaupt eine gute Diskussionskultur?

Um Diskussionskultur in der Kommunalpolitik untersuchen zu können, wurde auf Basis der Interviews empirisch eigenes „Modell der Diskussionskultur“ entworfen mit fünf Dimensionen: Abwesenheit von Grenzüberschreitungen, Augenhöhe und gegenseitiger Respekt, Fachlichkeit und Sachlichkeit, Offenheit und Kompromissbereitschaft sowie die Gleichberechtigte Einbindung aller Mitglieder. Zentral ist, dass eine gute Diskussionskultur mehr ausmacht, als die Abwesenheit von persönlichen (verbalen) Angriffen und starker Eskalation.

Dieses wurde anschließend mit Habermas Konzept der Deliberation verknüpft, um an bisherige Forschung anzuschließen und Vergleichbarkeit herzustellen. Habermas versteht Deliberation als gleichberechtigten Austausch von Argumenten mit dem Ziel, die „beste“ Entscheidung zu treffen. Es weist damit Parallelen zum Konzept der guten Diskussionskultur auf.

Die Annahme, dass eine gute Diskussionskultur zentral für Demokratie ist, liegt Arbeit zu Grunde.

Die Diskussionskultur in kommunalen Parlamenten

Heftige Grenzüberschreitungen stellen Einzelfälle dar. Häufiger kommt es jedoch zu gröberen Diskussionen, man fällt sich ins Wort oder stichelt. Dennoch: Nur wenige sind wirklich zufrieden mit der Diskussionskultur im Rat, sie wird eher im Mittelfeld eingeordnet. Es besteht Verbesserungsbedarf im Hinblick auf alle Dimensionen: Gegenseitiger Respekt, fachliche Expertise, Sachlichkeit sowie gleichberechtigten Einbindung aller Mitglieder.

Ratsmitglieder, die von regelmäßigen Übergriffen oder ehrverletzenden Grenzüberschreitungen betroffen sind, fühlen sich oft mit der Herausforderung alleingelassen. Der Umgang damit wird folglich häufig als „eigenes“ Problem definiert.

Kommunalpolitik ist ein Ehrenamt und bereits prekär hinsichtlich Entlohnung, Inanspruchnahme von Zeit und mangelnder Wertschätzung durch Öffentlichkeit und Bürger*innen. Wenn Grenzüberschreitungen und schlechte Diskussionskultur hinzukommen, ist dies ein Problem für die Demokratie und zeigt Handlungsbedarf – auch, wenn bei vielen Kommunalpolitiker*innen die intrinsische Motivation noch hoch ist und sich viele trotz Unzufriedenheit weiter engagieren. Um die kommunalpolitische Ebene zu stärken, braucht es daher Ideen zur Verbesserung der Diskussionskultur im Rat.

Ansätze und Strategien zu Verbesserung der Diskussionskultur

Dabei sollte der Fokus (nicht nur) auf Überschreitungen gelegt werden, sondern die gesamte Diskussionskultur in den Blick genommen und verbessert werden.

Wichtigste Bausteine hierbei sind das Anbieten von Schulungen z. B. zu gewaltfreier Kommunikation für Ratsmitglieder und die Versammlungsleitung. Formale Regelungen zu Redelisten und –zeit innerhalb der Geschäftsordnung und ein ergänzender Kodex für eine gute Diskussionskultur können sich positiv auswirken, indem ein gemeinsamer Verständnisrahmen für Diskursqualität geschaffen wird und eine Debatte innerhalb des Rats angestoßen werden kann. Mediation und kommunale Konfliktberatung können in besonders schweren Fällen zur Klärung herangezogen werden. Derzeit sind diese Instrumente wenig vorhanden als auch unbekannt. Wichtig ist hier aufklärerische Arbeit. Eine öffentliche Übertragung der Sitzung kann sich positiv wie negativ auf die Diskussionskultur auswirken. Gleichzeitig erhöht sie aber die Transparenz und lindert Partizipationshürden für Bürger*innen. Eine Auszeichnung für „gute Diskussionskultur“ wird mehrheitlich durch die Ratsmitglieder abgelehnt. Einzelne betonten jedoch, dass sie als positive Motivation wirken kann.

Die Studie mit den Ergebnissen ist hier zu finden.