Die Herausforderungen für Politik im Allgemeinen und Entwicklungspolitik im Besonderen haben sich in den letzten Jahren massiv gewandelt. Multiple Krisen wie die Klimakrise, die globale Corona-Pandemie, die Erschütterungen in der europäischen Sicherheitspolitik durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die Eskalation in Nahost sowie Nahrungsmittelkrisen in Teilen der Welt erfordern sowohl kurzfristige Reaktionen als auch langfristige Strategien der deutschen Entwicklungspolitik.
Die multiplen Krisenerfahrungen haben auch die Bürger*innen hierzulande stark geprägt und den Blick auf und die Erwartungen an die deutsche Entwicklungspolitik verändert. Eine starke Entwicklungszusammenarbeit baut auf der Unterstützung und dem Zuspruch aus der Bevölkerung auf. Deshalb ist es essenziell, die Sicht der Bevölkerung auf die deutsche Entwicklungspolitik und ihre Schwerpunktthemen zu kennen.
Wenig Wissen in der Bevölkerung zu Entwicklungszusammenarbeit vorhanden
Unsere Studie hat gezeigt, dass der Wissens- und Informationsstand über Entwicklungszusammenarbeit in allen Bevölkerungsgruppen sehr gering ist und die Meinungen dazu oftmals wenig gefestigt sind. Die thematische Komplexität von Außen- und Entwicklungspolitik wirkt auf viele überfordernd. Unterschiede und Überschneidungen der verschiedenen Bereiche der internationalen Zusammenarbeit sind für viele schwer zu greifen, oftmals werden auf den ersten Blick Verknüpfungen zu Kriegsunterstützung oder auch zur akuten humanitären Hilfe hergestellt.
Zum Teil liegt dies auch an der Allgegenwärtigkeit anderer, präsenterer außen- und sicherheitspolitischer Aspekte sowie anderer akuterer Krisenthemen, die die Wichtigkeitszuschreibung und das Interesse an der Entwicklungszusammenarbeit als Themenfeld überlagern und das Verständnis für die Rolle von Entwicklungspolitik überschatten. Die allgemeine Wahrnehmung und Empfänglichkeit für Entwicklungszusammenarbeit orientiert sich somit auch an der eigenen Problemwahrnehmung.
Deutschlands Rolle in der Welt
Häufig wird bezweifelt, ob Deutschland sich Entwicklungszusammenarbeit (weiterhin) leisten kann, ohne das deutsche Bürger*innen dabei auf der Strecke bleiben und die Probleme hierzulande vergessen werden. Oft wird argumentiert, dass erst die eigenen Grundbedürfnisse erfüllt sein müssten, bevor Deutschland den Blick nach außen richten könne. Diese Überlegungen wirken sich direkt auf die Einstellungen zur Entwicklungszusammenarbeit aus, die somit sowohl in ihrer Ablehnung als auch in ihrer Befürwortung an den Blick auf Deutschland gekoppelt sind.
Obwohl der Blick vieler Bürger*innen derzeit stärker als sonst auf Deutschland gerichtet ist, sind gleichzeitig die internationalen Abhängigkeiten und Verletzlichkeiten aufgrund der Polykrisen stärker ins Bewusstsein gerückt. Die weltpolitischen Entwicklungen werden von vielen mit Sorge betrachtet, vor allem im Hinblick auf die Folgen für die eigene Sicherheit und finanzielle Situation.
Segmentierung
Für eine auf breite gesellschaftliche Akzeptanz angelegte Entwicklungspolitik muss diese in diversen sozialen Segmenten verankert werden. Das Herzstück der Studie stellt daher die Einteilung der deutschen Bevölkerung in verschiedene Einstellungsgruppen hinsichtlich der Unterstützung und der Akzeptanz für Entwicklungszusammenarbeit dar.
Insgesamt konnten fünf voneinander abgrenzbare Einstellungsgruppen (Segmente) identifiziert werden. Diese weisen unterschiedliche Einstellungen und Akzeptanzniveaus gegenüber der Entwicklungszusammenarbeit auf und erfordern daher auch eine unterschiedliche Ansprache in der Kommunikation entwicklungspolitischer Maßnahmen.
Mehrstufiges Forschungsdesign
Die Grundlagenstudie bestand aus einem dreistufigen, aufeinander aufbauenden Forschungsprozess. In der ersten Stufe wurden qualitative Tiefeninterviews, in der zweiten Stufe wurden qualitative Fokusgruppen durchgeführt. In der dritten Stufe wurde eine repräsentative quantitative Befragung durchgeführt. Das anschließende Vertiefungsmodul fokussierte sich auf das Themenfeld Flucht und Migration und bestand aus einem zweistufigen, aufeinander aufbauenden Forschungsprozess. Dazu wurden zunächst Online-Fokusgruppen sowie anschließend eine repräsentative quantitative Befragung durchgeführt.
Auftraggeberin:
Das Forschungsvorhaben wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt. Die vollständige Studie finden Sie hier.